Das Wandern ist des Müllers Lust

Das Wandern ist des Müllers Lust

Servus,

wie viele Andere habe auch ich meine ganze Jugend davon geträumt, die große weite Welt kennenzulernen. Auf meiner Bucketlist standen Orte wie Fiji, Südafrika, Chile und der Nordkap. In Deutschland Urlaub zu machen und coole Orte vor der Haustür zu finden, habe ich mir damals nicht vorstellen können.
Doch seit einem Jahr fange ich öfter an darüber nachzudenken, warum ich so wenig von Deutschland kenne. Ich war schon auf einer einsamen Insel im Pazifik, aber noch nie im Schwarzwald oder an der Nordsee.

Seit ich vor 2 Jahren den portugiesischen Jakobsweg gelaufen bin, habe ich das Wandern für mich entdeckt. Noch vor fünf Jahren habe ich meine Eltern belächelt, dass sie ein Kaff in Bayern so toll finden, dass sie dort hinfahren um wandern zu gehen. Ich fand das viel zu langweilig und nichtmal einen Kurztripp wert.

Bemooster Stein auf dem Jakobsweg

Doch was hat sich in meinem Denken verändert? Was fasziniert mich nun so sehr an dieser Art die Welt vor meiner Haustür zu erkunden?

Vier Dinge tun mir bei dieser Art der Fortbewegung richtig gut.

Entschleunigung: Noch nie zuvor konnte ich so entspannt auf mich und mein Leben schauen. Nie zuvor hatte ich so sehr das Gefühl ganz bei mir zu sein. Um so länger der Weg, um so mehr habe ich das Gefühl anzukommen. Und zwar ganz bei mir anzukommen.

Herausforderung: Seit ich denken kann liebe ich sportliche Herausforderungen: Fußballduelle mit meinem Cousin, Volleyball im Verein mit immer neuen Wettkämpfen gegen mich und meine Gegner*innen, oder auch mit dem Mountainbike möglichst schnell einen Berg im Spessart runter zu brettern. Aber beim Wandern habe ich ganz neue Herausforderungen kennengelernt. Ganz bei mir zu sein und dabei auch körperlich an meine Grenzen gebracht zu werden und teilweise darüber hinaus zu gehen , wirkt bei mir wie eine Sucht. Auch wenn es wirklich nicht leicht für mich ist, es so lange alleine mit mir auszuhalten. Ich weis nicht wie Isa das immer mit mir aushält 🙂

Wanderschuhe auf einem Felsen

Wahrnehmen: Gerade durch die langsame Fortbewegung kommen ganz neue Dinge in den Blick. Wie schön kann eine Blume am Wegesrand sein, oder wie angenehm sind die ersten Sonnenstrahlen am Morgen, wenn man die ganze Nacht im Zelt gefroren hat. Vor allem wenn man beim ersten Kaffee die kleinen Wassertropfen auf dem Gras ganz genau beobachten kann und nicht das Gefühl hat etwas verpassen zu können. Gerade auf meinen „großen“ Trips in die weite Welt hatte ich immer wieder das Gefühl, möglichst viel in einer möglichst kurzen Zeit sehen zu müssen. Dabei habe ich oft nur Stress empfunden. Das Gefühl, das ich ja wahrscheinlich nie wieder hier sein werde, hat mich immer wieder getrieben. Ich dachte, dass ich den Tag nicht einfach erleben kann, so wie er kommt, sonder immer das Beste und Tollste und Überhaut sehen und tun zu müssen. Wenn ich aber morgens aus meinem Zelt schaue und mir sicher bin, dass ich diesen Tag ganz langsam und ohne Sightseeing Leistungsdruck genießen kann, muss ich auch als Morgenmuffel schon vor dem ersten Kaffee einfach nur Lächeln und bin glücklich hier zu sein. Auch wenn die Füße schmerzen oder ich alle Muskeln in meinem Körper mal wieder neu kennenlerne.

Und dann noch das Thema Gott*:
Gerade auf dem Jakobsweg ist mir in all meinen verwobenen Gedanken aufgefallen, dass es in dieser Ruhe eine ganz besondere Möglichkeit gibt sich mit dem Thema Gott* und meiner Beziehung zu Ihm / Ihr / Es auseinander zu setzen. Durch die vielen kleinen Dinge, die mir auf einmal aufgefallen sind, habe ich viel bewusster auf die kleinen Dinge, die Gott* und mich verbinden, achten können. Sie wurden nicht durch den Druck Sachen sehen und tun zu müssen überlagert. Sie waren auf einmal einfach da, ohne das ich mich irgendwie anstrengen musste, sie wahrzunehmen. Normalerweise habe ich nie Tagebuch geschrieben, weil ich nie das Gefühl hatte, das es etwas gibt, was nicht Fotos wieder in Erinnerung rufen können. Aber in dieser intensiven Zeit ist mein Tagebuch quasi explodiert. Ich hätte jeden Tag ein ganzes Buch mit meinen Gedanken schreiben können.

Außerdem hat das Wandern noch ein paar nette Nebeneffekte:
Gesundheit: Denken ist ja schön und gut, aber auch der sportliche Aspekt ist nicht zu vernachlässigen. Jeden Tag mit 13 kg auf dem Rücken mehr als 15 km zu laufen, macht auf Dauer echt ne gute Kondition und bringt die müden Uni-Muskeln wieder mal so richtig in Schwung. Und die Ansteckungsgefahr während Corona ist quasi null, wenn ich auf einem Trekkingpfad unterwegs bin, auf dem ich höchstens dem Förster mal aus 50 Metern nett winke.

Tradition: Wenn man sich mal so überlegt, welche Menschen diese Wege schon seit Jahrhunderten gehen und in welchen Situationen sie sich befunden haben müssen, schaue ich schon oft sehr ehrfürchtig auf die Wege, die ich gehe. Und ich freue mich sehr, das auch ich die Möglichkeit habe diese Pfade nochmal zu gehen und meine eigene Geschichte dort zu erfahren. Und es hat schon was Spaßiges komplett fertig, müde und verzweifelt „Das Wandern ist des Müllers Lust“ durch den Thüringer Wald zu singen, nur damit man die zwei Kilometer nach Ruhla (einem Dörfchen am Rennsteig) noch irgendwie übersteht. Außerdem habe ich es sehr zu schätzen gelernt, auch über meine eigene Kultur mehr zu erfahren und sich nicht nur mit Kulturen in fernen Ländern zu beschäftigen. (Die sind allerdings auch sehr spannend.)

Umwelt: Außerdem ist das Wichtigste, was man zum Wandern braucht schon von Natur aus in unserem Körper mitgeliefert: etwas Muskelkraft, starker Willen und immer ein Lachen auf den Lippen, auch wenn es schwer fällt. Das heißt man kommt ohne fossile Brennstoffe vorwärts und wenn man seinen Müll nicht liegen lässt, ist man fast komplett CO2 neutral unterwegs. Natürlich kommt es da auch immer drauf an, wie man zum Startpunkt der Tour kommt. Dafür muss man aber garnicht mal so weit fahren. Oft sind richtig coole Touren nur ein paar Haltestellen mit dem Zug entfernt.

Also, auch wenn die Füße oft schmerzen und ich mich bei jeder Tour spätestens am zweiten Tag frage, warum ich mir das nur immer wieder antue, gibt es an jedem Tag Momente, die es wert sind, dass ich es trotzdem mache.

Was sind denn Eure Wandererfahrungen? Habt Ihr coole Touren? Oder ist wandern garnicht so Euer Ding? Schreibt es gerne in die Kommentare.

Bis bald (bei einem kühlen Radler) im Biergarten,
Anna

3 Kommentare

Hi Anna,

Das klingt ja alles schön und gut. Aber du bist den Weg nicht alleine gegangen oder?
Fehlt da nicht die zwischenmenschliche Begegnung?

Find ich ziemlich unfair eine so wichtige Begleiterin in deinem Leben nicht zu benennen. Denk da nochmal drüber nach bitte…

Liebe Grüße
Sophie

Hallo Sophie,
Danke für deinen Kommentar.
Den Jakobsweg bin ich gemeinsam mit einer Freundin gelaufen, bevor Isa und ich zusammen waren. Und andere Wege bin ich auch alleine gelaufen.

Das Wandern ist bisher vorallem noch mein Hobby, ich versuche aber immer wieder Isa davon zu begeistern. 😉
Ich freue mich natürlich auch auf die Wege, die wir gemeinsam gehen werden und denke, dass das eine sehr intensive Zeit für unsere Beziehung wird. Doch bisher haben wir nur kürzere Tagestouren gemacht, was vom Gefühl her nochmal ein bisschen anders ist.
Deswegen kommt Isa in dem Text nicht vor.
Wenn ich es geschafft habe, sie zu begeistern, dann kommt auf jeden Fall ein Bericht von unserem gemeinsamen Weg und da spielt die zwischenmenschliche Begegnung dann sicher auch eine große Rolle.

Und wenn das Wandern nur mein Hobby bleibt, dann ist das auch nicht schlimm.
Uns ist es in unserer Beziehung wichtig, dass jede auch ihre Eigenständigkeit behält und sich in ihrem eigenen Hobby ausleben kann. Nur weil ich etwas nicht mag, muss Isa nicht darauf verzichten und andersherum. Wir haben gemerkt, dass es wichtig ist, dass jede auch für sich alleine und mit sich alleine glücklich sein kann. Nur so kann die Beziehung gut funktionieren und wir bleiben zwei einzelne Personen, die gemeinsam unterwegs sind und werden nicht ein Einheitsbrei, in dem wir uns verlieren.

Kannst Du das verstehen? Oder hast Du andere Erfahrungen gemacht?

Viele Grüße, Anna

Wau Anna!!
Es maravilloso como cuentas tú experiencia…
A mí me encanta caminar, aquí así le llamamos… Aquí los lugares no son tan seguros como en Europa jeje pero nos las arreglamos para hacer un poco de „senderismo“ en grupo…
Una vez, hice la experiencia con un grupo de amigos.
Éramos cómo 7 (no recuerdo cuántos éramos en total, ya que fue hace muchos años). Fue un camino muy intenso, tanto física como espiritualmente… Si ese camino podría tener un nombre sería: camino al Boquerón (un pequeño volcán de la capital).
En el camino vimos de todo, desde un hombre borracho que quería robarnos el poco dinero que andábamos (como estudiantes universitarios es común andar casi nada de dinero jeje), un frondoso bosque, tan verde que no se distingue el cielo azul, hasta una lluvia tan intensa que nos obligó a parar debido a que era imposible ver algo…
En ese frondoso bosque del que les hablo, hicimos una parada, e hicimos algo muy común entre nosotros, le llamamos „amarillo“ (Isa sabrá a lo que me refiero) y leímos un fragmento de un libro. No recuerdo que decía. Solo recuerdo lo que sentí: la inmensidad de mi Nada frente al Todo de Dios. Y al mismo tiempo, sentirme tan amada por El, que no importaba el casi asalto, el largo camino que hacía falta por recorrer, las dificultades académicas, etc. Lo único que importaba, era cómo vivía cada momento de mi vida, en cada lugar… Era tipo un exámen de conciencia (bendita como siempre) el cual me interpelaba…
Nunca supe si a mis amigos les pasó lo mismo, solo sé que en mi vida cambió algo en ese viaje. Ese viaje sin retorno a una realidad simple y aburrida, por una realidad llena de colores y felicidad plena.

Reini

El Salvador

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