Ich träume von einer Kirche…

Ich träume von einer Kirche…

Meine Mama hat mir den Link zu einem Artikel auf katholisch.de geschickt, in dem Heinrich Timmerevers, Bischof von Dresden, sich für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ausspricht. Sie hat den Link kommentiert mit den Worten „Hoffentlich findet er viele Unterstützer.“ Das hoffe ich auch und freue mich immer über solche Artikel und Nachrichten.
Ich hab das Interview gelesen und mir ein paar Gedanken dazu gemacht, die ich gerne mit Euch teilen würde.

Ich finde es gut, wichtig und richtig, dass es immer mehr Christ*innen und auch Entscheidungsträger gibt, die sich öffentlich für die Akzeptanz und Segnung von queeren Menschen und gleichgeschlechtlichen Paaren aussprechen. Für eine Kirche, die auf dem Grundstein Gott* aufgebaut ist und die frohe Botschaft von seiner* Liebe verkündet, sollte es selbstverständlich sein, die Menschen zu begleiten, die sich in ihr zu Hause fühlen wollen und für sie da zu sein. Ich muss dabei an eine Aussage einer der Initiatorinnen der Aktion „Mein Gott diskriminiert nicht“ im Interview mit katholisch.de denken: „Nimmt man diesen liebenden und gerechten Gott ernst, muss man als Kirche nicht die Inklusion von Menschen, sondern deren Exklusion rechtfertigen.“

In diesem Sinne freue ich mich, dass Bischof Timmerevers nicht nur die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren bejaht, sondern auch einen Priester und eine Gemeindereferentin für die Homosexuellen-Seelsorge in seinem Bistum beauftragt hat. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung (oder viel mehr kann ein Schritt in die richtige Richtung sein, je nachdem wie es umgesetzt wird), queere Menschen in der Pastoral wahrzunehmen und sie als gläubige Christ*innen zu sehen (und nicht als abgefallene Sünder*innen, die gerettet werden müssen).
Dennoch bin ich etwas zwiegespalten… Auf der einen Seite finde ich es, wie gesagt, gut und ein wichtiges Zeichen, dass es eigene Homosexuellen-Seelsorge gibt. In der besonderen Situation mit vielleicht besonderen Bedürfnissen, die von Diskriminierung geprägt sein können, kann es auch sehr heilsam sein, eigene Angebote zu haben und „Gleichgesinnte“ zu treffen. Aber auf der anderen Seite würde ich mich auch freuen, wenn es einfach selbstverständlich möglich wäre, dass ich als lesbische Frau gemeinsam mit meiner Verlobten an jedem pastoralen Angebot der katholischen Kirche teilnehmen kann, ohne dass ich mir Sorgen machen muss, dort nicht erwünscht zu sein oder mich verstecken zu müssen. Jedes pastorale Angebot sollte Seelsorge für homosexuelle Menschen sein, und für heterosexuelle, und bi- und asexuelle, und für Ehepaare und nicht verheiratete Paare, für Alleinerziehende, für Geschiedene, für zölibatär Lebende. Einfach für ALLE.

Besonders wünsche ich mir das für Angebote, die speziell für Paare gemacht sind. Auch wenn ich weiß, dass das direkt noch ein größerer Schritt ist, weil in der katholischen Lehre ja durchaus unterschieden wird zwischen der Bewertung und dem Umgang mit homosexuellen Menschen als solchen und gleichgeschlechtlichen Beziehungen, also „ausgelebter“ Homosexualität.
Es gibt gute Beispiele, wie das funktionieren kann. Wie ich ja schon berichtet habe, war es zum Beispiel bei Surf and Soul kein Problem, dass wir die Zeit dort auch für uns als Paar genutzt haben (auch wenn das jetzt kein spezielles Angebot für Paare war). Ein anderes Beispiel ist das Projekt Zwei und Alles in Frankfurt. Dort werden Aktionen für Paare angeboten, in denen es darum geht, das Paar-Sein in den Blick zu nehmen. Das Projekt „wendet sich dabei nicht nur an heterosexuelle Paare“ (Zitat aus einem Bericht über das Projekt auf feinschwarz.net). Diese explizite Offenheit wünsche ich mir für alle pastoralen Angebote, die sich an Paare richten, damit sich nicht nur heterosexuelle „perfekt katholische“ Paare angesprochen fühlen, sondern auch alle anderen, egal ob homosexuelle, unverheiratete, geschieden-wiederverheiratete… Paare.

Ich hab das Interview mit Herrn Timmerevers nochmal durchgelesen und bin dabei an einer Passage hängengeblieben. Auf die Aussage der Journalistin, dass ein Segen für gleichgeschlechtliche Paare bisher in der Kirche nicht erlaubt ist, reagiert er wie folgt:


„Die Frage ist doch: Was segne ich? Ich segne Menschen. Und wenn ein Mensch vor mir steht und um einen Segen bittet – wie kann ich diesen Segen verweigern? Ein Segen ist ja der Zuspruch Gottes. Zu unterscheiden davon ist, dass ich mit solch einem Segen ja nicht alles „absegne“ und gut finde, was diese Menschen tun. Da muss man sehr differenziert hinschauen.“

Inhaltlich kann ich ihm da voll zustimmen. Trotzdem frage ich mich, was die Aussage in diesem Kontext bedeuten soll. Ich habe die Hoffnung, dass ich den Bischof etwas missverstehe. Bei mir kommt es an als: „Der einzelne Mensch mit seiner sexuellen Orientierung ist in Ordnung und ich darf ihm den Segen Gottes* zusprechen. Die Partner*innenschaft der beiden Menschen, die dort vor mir stehen, ist allerdings nicht okay und ich kann sie nicht ‚absegnen‘.“ Wenn die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare nicht als Segnung der Partner*innenschaft und der gemeinsamen Zukunft gemeint ist, sondern nur ein Einzelsegen für die beiden Menschen, dann kann ich irgendwie auch auf diesen Segen verzichten. Zumindest brauche ich dann keine Zeremonie der Paarsegnung und kann einfach zu meinem Pfarrer (oder wem auch immer) gehen und mich alleine von ihm segnen lassen.

Versteht mich bitte nicht falsch, ich finde es toll, dass es immer mehr Aufbrüche in der Kirche gibt, die auch queere Menschen als gläubige Christ*innen wahr- und ernstnehmen. Aber ich verstehe sie eben auch „nur“ als Aufbrüche, als Teil eines Prozesses und noch nicht als Lösung für das Problem. Denn ich träume von einer Kirche, die – so gut sie kann – frei von Diskriminierung ist und sich selbst und ihre Strukturen immer wieder hinterfragt, damit sie ALLEN Gläubigen Gemeinschaft und Glaubensheimat sein kann.

Pfuu…das ist jetzt doch ganz schön politisch geworden…Ich hab keine Ahnung, ob das theologisch oder kirchenpolitisch alles korrekt oder argumentativ logisch ist. Aber es sind die Gedanken, die mich zu diesem Thema bewegen. Wenn Ihr Lust habt, darüber zu diskutieren, schreibt gerne Eure Meinung in die Kommentare!

Bleibt respektvoll und habt Euch lieb!
Bis bald im Biergarten,
Isa

P.S. Euch ist vielleicht aufgefallen, dass ich „Gott“ mit einem Sternchen geschrieben habe. Inspiriert dazu wurde ich von einer Kampagne der KSJ. Den Gedanken, durch das Sternchen immer wieder darauf aufmerksam zu machen, dass Gott* keiner menschlichen Kategorie oder keinem Geschlecht zugeordnet werden kann und so das eigene Gottes*bild immer wieder zu hinterfragen, finde ich sehr gut. Ich weiß noch nicht, ob ich das jetzt immer so durchziehen werde, aber gerade kann ich damit viel anfangen. Mehr zu der Kampagne findet ihr hier.

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