#liebegewinnt oder Was ist eigentlich Protest?

#liebegewinnt oder Was ist eigentlich Protest?

Hallo zusammen,

wie einige von Euch vielleicht bereits mitbekommen haben, werden rund um den 10.Mai (den Gedenktag des Noah) Segnungsgottesdienste für alle Liebenden gefeiert. In aller Öffentlichkeit und ohne Heimlichtuerei. Die Initiator*innen dieser Aktion haben ihr den Namen #liebegewinnt gegeben. Unter diesem Hashtag werden in den letzten Tagen und besonders Heute viele Statements zur Segnung alle Liebenden, also auch derer, die laut Vatikan nicht gesegnet werden dürfen, in den sozialen Medien gepostet. Die (mediale) Aufmerksamkeit zu diesem Thema ist groß, sogar die Tagesschau berichtet darüber.
Eine Liste aller Gottesdienste und mehr über die Aktion findet Ihr hier. Vielleicht sind ja Kurzentschlossene unter Euch, die heute Abend einen Gottesdienst in ihrer Nähe feiern möchten oder sich durch eines der vielen Online-Formate segnen lassen möchten.

Solche Segnungsgottesdienste für alle Liebenden sind übrigens nicht neu. Sie finden in vielen Gemeinden zum Beispiel am Valentinstag statt. Ich habe noch nie davon gehört, dass dabei ein gleichgeschlechtliches Paar oder ein Paar in zweiter Ehe weggeschickt wurde. Neu ist allerdings, dass so öffentlich und direkt beworben wird: Alle Paare sind willkommen, gerade und besonders queere Paare.

Auf eine so öffentlichkeitswirksame Aktion gibt es natürlich viele Reaktionen und auch in unserem Instagram-Feed haben sich viele Beiträge dazu gesammelt.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofkonferenz bezeichnet die Gottesdienste als ungeeignete Form für eine Protestaktion. Viele (Beteiligte) schreiben: Das ist kein Protest, sondern einfach nur die Feier des christlichen Geheimnisses der unfassbar großen Liebe Gottes zu den Menschen, die jede*n einbezieht. Andere sprechen über ihre Gottesdienstvorbereitung als „pastoralen Ungehorsam“.

Ich habe mich gefragt, was ist es denn jetzt? Protestaktion oder Feier der Liebe Gottes? Muss sich das überhaupt widersprechen?

Die zeitliche Nähe zum Responsum der Glaubenskongregation ist nicht zu übersehen und auch die Initiator*innen sprechen von der Idee als Reaktion darauf. Deswegen halte ich es für nicht schlüssig zu behaupten, die Feier dieser Gottesdienst mit der expliziten öffentlichen Einladung queere Paare wäre kein Protest.
Vielleicht nicht die Handlungen an sich. Der Liebe der Menschen, die immer Abbild von Gottes Liebe zu den Menschen ist, Raum zu geben, keine*n vom Gottesdienst auszuschließen und Segen zu spenden, ist eigentlich nichts besonderes im liturgischen Vollzug des Glaubens.
Aber durch die Situation, in die hinein, Gottesdienst gefeiert und Segen gespendet wird, wird dieses zum Protest.
Zum Protest gegen Strukturen und lehramtliche Aussagen, die sich anmaßen über den Segen zu verfügen, als würden sie selbst den Segen hervorbringen, als wäre er kein Gottesgeschenk für ihre* geliebten Kinder. Zum Protest gegen Strukturen und Lehramtliche Aussagen, die vergessen zu haben scheinen, was zum Kern des Christentums gehört: Bedingungslose Liebe, die größer und weiter ist, als alle menschliche Vorstellung und Gottes Zusagen zu seiner* gesamten Schöpfung „Es war sehr gut“.

Ich frage mich dabei: Ist Protest gegen ausschließende gesellschaftliche/ religiöse Strukturen und religiöse Anührer, der sich als Zusage von Gottes Nah-sein äußert, nicht zutiefst jesuanisch? Ist es nicht das, was uns in biblischen Erzählungen über die gemeinsamen Mahlfeiern, Heilungen und Begegnungen Jesu überliefert ist?
Welche angemessener Form des Protests gegen Diskriminierung könnte es geben als die Zusage, von Gottes Nähe und Liebe für alle Menschen, auch und besonders für die Stigmatisierten?!‘
Mir fällt so spontan keine ein….

Jenseits der Frage, ob sie nun eine Protestaktion sind oder nicht, ob das eine angemessene Protestform ist oder nicht, was können diese Segnungsgottesdienste für alle Liebenden bewirken?
Ganz konkret, sind sie Zuspruch und Stärkung für alle Paare, die sich segnen lassen. Auch wir sind berührt von dem Segen, den wir empfangen dürfen, der uns stärkt und uns hilft, weiter in unserer Liebe zu wachsen.
In der kirchenpolitischen Situation, in der wir sind, sind sie auch öffentliches Zeichen für die Akzeptanz und das Anerkennen der Vielfalt, in der Menschen sich lieben und damit der göttlichen Liebe Ausdruck verleihen.
Sie zeigen: Segnen geht. Gott hält das aus, es tut ihm* nicht weh, wenn gleichgeschlechtliche Paare gesegnet werden. Gott schenkt Segen. Und er geht nicht kaputt, wenn er freigiebig an alle weitergegeben wird, die darum bitten.

Wir wünschen uns, dass die #liebegewinnt Segnungsgottesdienste für alle Liebenden ein Schritt auf dem Weg sind, der zu Segnungsfeiern für Paare, die nicht kirchlich heiraten dürfen, führt. Segnungsfeiern, die nicht „nur“ Stärkung im Alltag und offen für alle sind, sondern ganz konkret für ein Paar gestaltet, als Teil eines besonderen Tages in der Biographie des Paares, vielleicht anlässlich der standesamtlichen Eheschließung.
Wir würden uns sehr freuen, so einen Gottesdienst feiern zu dürfen. Ganz ohne Heimlichkeit.

Bis bald im Biergarten,
mit viel Liebe und Segen, die wir zu allen Menschen tragen wollen – auch als Protest gegen Versuche, Gottes Geschenke einzusperren und zu verfügen.
Isa

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