Sichtbarkeitstag

Sichtbarkeitstag

Heute ist „lesbian visibility Day“. Als wir das gelesen haben, haben wir uns zuerst gefragt „Braucht man das überhaupt?“

Nach diesem ersten Impuls war uns aber ziemlich schnell klar: Ja, das braucht es noch. Leider.
Auch wenn queeres Leben immer präsenter und selbstverständlicher Teil der Gesellschaft wird, ist lesbisches Leben immer noch unterrepräsentiert oder zu einseitig dargestellt, und das kann sogar gesundheitliche Folgen haben!

Wir glauben, dass Diskriminierung nicht immer aus bösem Willen geschieht. Manchmal passiert sie, weil unsere Art der Beziehung einfach nicht im Denkrahmen und Erfahrungshorizont mancher Personen vorhanden ist.
Deutlich haben wir das gemerkt, als wir auf Wohnungssuche waren. Auf viele Anfragen haben wir die Antwort bekommen „Leider nein. Wir wollen keine WG.“, obwohl in unserem Text deutlich wurde, dass wir als Paar zusammen ziehen wollen. Aber vielleicht haben betreffende Vermieter*innen garnicht so weit gelesen, weil bei zwei Frauennamen sofort klar war, dass es sich nur um eine WG und nicht um ein Paar handeln kann.
Wenn wir übereinander als „meine Freundin“ sprechen, denken viele unserer Gesprächspartner*innen erstmal an eine Freundschaft, nicht eine Liebesbeziehung. Auch deshalb freuen wir uns darauf, ab nächster Woche „meine Frau“ sagen zu können. Das macht es etwas eindeutiger und erspart so manche Nachfrage.
Aber auch damit ist leider noch nicht alles klar. Immer wieder hören wir Geschichten von Regenbogenfamilien, die z.B. an der Schwimmbadkasse Probleme haben, ein Familienticket zu kaufen. Man glaubt Ihnen nicht ohne besonderen Nachweis (z.B. der gleiche Nachname auf dem Perso der Eltern), dass sie eine Familie sind, einfach weil das Konzept von zwei Mamas mit Kind(ern) für viele (noch) unvorstellbar/ unbekannt/ ungewöhnlich ist. Da sind zwei Frauen, die sich als Familie ausgeben um Geld zu sparen, schon wahrscheinlicher.
Das zeigt, wie wichtig es noch nicht, Beziehungen von zwei Frauen, sichtbar zu machen und zu thematisieren. Wenn mehr Menschen auf dem Schirm haben, dass ein (Ehe-)Paar nicht immer aus Mann und Frau bestehen muss, lassen sich solche unangenehmen Situationen in Zukunft leichter vermeiden.

Auch bei der Hochzeitsvorbereitung haben wir gemerkt, dass die Hochzeit von zwei Frauen selten in den Köpfen der Medienmacher*innen vorkommt (von zwei Männern da noch eher). Egal ob in Hochzeitsmagazinen oder YouTube-Videos, wir haben kaum Identifikationspunkte gefunden. Wenn lesbische Hochzeiten repräsentiert waren, dann häufig stereotyp mit möglichst unweiblichen Hosenanzügen. Das entspricht aber garnicht unserem Stil und Geschmack. Ein Beispiel dafür, wo vielfältiges lesbisches Leben noch sichtbarer sein müsste, ohne in Klischees zu verfallen.
Wie bei vielen Themen gibt es aber auch hier Positiv-Beispiele: Wir haben den Blog Dancing with her entdeckt. Die australischen Betreiberinnen haben aus der Erfahrung heraus, die wir hier beschrieben haben, beschlossen, ihr eigenes Hochzeitsmagazin auf dem Markt zu bringen. Darin (genauso wie auf dem Blog) sammeln sie (Hochzeit-)Geschichten- und Bilder von lesbischen Paaren auf der ganzen Welt, um so anderen Inspirationen für die eigene Hochzeitsfeier zu geben. Auf dem Blog ist eine große Vielfalt von kleinen und großen Feiern mit Hosenanzügen und Kleidern, Wanderschuhen und Schleiern repräsentiert. Gerne darf es mehr davon geben, auch in „normalen“ Hochzeitsmagazinen, die nicht extra für und von lesbische Paaren gemacht sind!


Ein anderes Thema, bei dem sehr deutlich wird, wie wenig lesbisches Leben bisher noch Beachtung findet, ist das Thema Verhütung. Dass Verhütung wichtig ist – nicht nur zur Verhinderung von ungewollten Schwangerschaften sondern auch zum Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten – ist allgemein bekannt und wird an vielen Stellen thematisiert. Werbung für Kondome hängt an jeder Plakatwand und im Sexualkundeunterricht in der Schule musste fast jede*r den Umgang damit auf einem Holzpenis üben.
Aber wie schütze ich mich vor sexuell übertragbaren Krankheiten, wenn es keinen Penis gibt, über den ich ein Kondom ziehen kann? Braucht es überhaupt Schutz, wenn zwei Frauen miteinander intim werden? Wir haben noch von keiner Frau gehört, die darüber in der Schule (oder anders wo) etwas gelernt hat und wenn, dann durch Eigeninitiative. Und das ist ein wirkliches Problem. Denn auch beim Sex zweier Frauen können Krankheiten übertragen werden, die langfristige gesundheitliche Folgen haben können. Warum klärt niemand (junge) Frauen darüber auf? Warum gibt es Verhütungsmittel für Frauen (z.B. Lecktücher) kaum zu kaufen? (Auf Zeit-Online gibt es einen spannenden Artikel über dieses Thema, dass die Problematik sehr deutlich beschreibt. Wen das interessiert: Große Leseempfehlung!) Da hat vor allem auch Sexualkundeunterricht in der Schule noch großen Entwicklungsbedarf! (Zukünftige Biologielehrer*innen: Wir bauen auf Euch;))

Insgesamt ist unser Gefühl: Es fehlt an Vorbildern und Repräsentation, auf vielen Ebenen. Das führt zu vielen Folgen, von denen wir einige gerade beschrieben haben. Wir wünschen uns – für alle (jungen) Frauen, die auf der Suche nach ihrer sexuellen Orientierung sind und auch für uns selbst -, dass sich das ändert.
Deswegen sind wir nicht nur heute als lesbisches Paar sichtbar und hoffen, dass wir dadurch andere ermutigen können, das auch zu sein.
Und deswegen freuen wir uns, dass es einen Tag gibt, der extra darauf aufmerksam macht, dass Sichtbarkeit und Gleichberechtigung noch nicht überall erreicht sind.

Was denkst Du? Braucht es einen lesbian visibility day? Wofür sollte es deiner Meinung nach sonst noch Sichtbarkeits-Tage geben? Schreib es gerne in die Kommentare!

Bis bald im Biergarten,
Isa und Anna

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